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Malen mit Zahlen [Text von Dr. Hanne Weskott]

Das Malen nach Zahlen ist aus der Mode gekommen. Schraenkt es doch die Kreativitaet extrem ein. Schliesslich ist die Kunst frei, und die Kuenstler sind nur sich selbst verantwortlich. Sie koennen ihre schoepferischen Kraefte ohne jede Einschraenkung entfalten. In diesem Meer aus Bildern und Farben besteht aber die Gefahr des Ertrinkens. Also suchen Kuenstler nach einem roten Faden im Labyrinth der schoepferischen Moeglichkeiten. Sie schaffen Strukturen, um ihrem Werk ein unverwechselbares Gesicht zu geben. Denn seit die Kunst frei ist, leidet sie unter dem Zwang der Innovation. Wie aber kann man etwas Neues schaffen, wenn Kunst doch immer von Kunst handelt, sich also stets in einem geschlossenen System bewegt? Entweder man reduziert die Vielfalt der Erscheinungen auf das Wesentliche und gelangt zur Abstraktion oder bricht die Grenzen auf wie DADA und der Surrealismus oder erhebt die unumgaenglichen Referenzen an bereits existierende Kunst zum System, was direkt zur Zitatkunst von heute fuehrt. Aber es gibt noch einen anderen Weg. Diesen hat die konkrete Kunst eingeschlagen. Denn wenn Kunst notwendigerweise immer von Kunst handelt, kann sie sich ebenso gut auf ihre ureigensten Mittel besinnen und alles, was kunstfremd ist, ausschalten, also alle der Kunst uebergestuelpten Bedeutungen und Inhalte vergessen. Damit erhaelt eine Farbe einen Wert an sich, ohne jegliche symbolische oder allegorische Bedeutung. Ebenso beschreibt dann eine Form keinen Gegenstand mehr: ein Quadrat ist ein Quadrat und eine Linie eine Linie. Auch der Bildgrund wird nicht zum illusionistischen Raum, sondern bleibt die Flaeche, auf der sich Farben und Formen entfalten. Diesem revolutionaeren Ansatz erging es allerdings wie allen in die Jahre gekommenen Revolutionen: Der Aufbruch aus dem System fuehrte unweigerlich zu einem neuen System und damit wiederum zu einem geschlossenen Kreis. Das Neue war nur noch ein Abklatsch des Alten und mutierte zur blossen Variation. Um diesem Kreislauf zu entkommen, erfanden und erfinden Kuenstlerinnen und Kuenstler immer wieder andere Methoden. Die einen nutzen den Zufall, andere stellen sich ganz gezielt Aufgaben, um der eigenen Willkuer mit strengen Strukturen zu begegnen wie Eva Bauer.ue
Begonnen hat Eva Bauer nach langer kuenstlerischer Pause mit Zahlen, wobei sie diese als blosse Formen nutzt. Sie macht also mit den Zahlen das, was die konkrete Kunst einst mit Farbe und Form gemacht hat: Sie negiert jede Art von Bedeutung. Die Ziffern koennen als positives oder negatives Zeichen auftreten, in Verdoppelung erscheinen und durch blossen Richtungswechsel eine neue Form bilden. Dann verbuenden sie sich sozusagen mit sich selbst und werden eins. Das Erstaunliche an diesem Spiel mit der Zahl ist die unglaubliche Vielfalt, die darin steckt, aber auch wie ueberzeugend die Befreiung der Zahl von ihrer Bedeutung gelingt. Man nimmt sie nicht mehr als Zeichen fuer eine bestimmte Menge wahr, sondern als Struktur in der anfangs weissen Flaeche. Dieser Eindruck wird in der Serie der Hidden Numbers noch verstaerkt, weil hier die Zahlen durch ein Gitterwerk aus weissen Balken mehr oder weniger ueberdeckt werden. So ist die liegende Acht nur in sanft gebogenen, orangefarbenen Teilstuecken vor rosarotem Feld zu erahnen. Neben dem in seiner Wirkung aeusserst zurueckhaltendem Weiss ist die Kombination von Orange und Rosa geradezu schreiend poppig. Die Farbe in all ihren leuchtenden Facetten kommt auch in der Reihe der Pixel Numbers zur Wirkung. Wieder geben die Zahlen die Flaechenstruktur vor. Allerdings kommen sie nur als Aussparungen zur Geltung, das heisst, die Pixel, also die Bildpunkte, bilden nicht die Binnenform der Zahl, sondern besetzen die Raender. Wieder wird ein Nutzsystem nicht nur zweckentfremdet, sondern frei von jeder Zweckbindung als Bildgrundlage verwendet. Die so entstandenen Bilder scheinen im Verschwinden begriffen zu sein; ihre Gegenwart ist bruechig, weil die farbigen Bildelemente die Mitte regelrecht fliehen.
Ein neues Bildelement kommt in das Werk von Eva Bauer durch die Verwendung des Barcodes, dieses Streifensystems, das unseren Alltag wie kaum ein anderes bestimmt und durchdrungen hat. In den Barcodes liegt die Information ueber unsere Warenwelt verborgen. Aber das ist fuer Eva Bauers Kunst nicht relevant. Sie nimmt dieses allgegenwaertige Streifensystem als Mittel, um damit eine zweifarbige Flaeche rhythmisch zu gestalten. Die bevorzugte Farbe derzeit ist Orange; orange Streifen auf weissem Grund oder weisse auf orangefarbenem Grund, mal dicker, mal duenner, mal durchgezogen, mal im Feld endend, immer systematisch angeordnet nie rein willkuerlich. So entstehen sich scheinbar ueberschneidende Bildhaelften und lassen Raeumlichkeit ahnen. Die Streifen eignen sich auch gut fuer dreidimensionale Malstuecke wie Wuerfel, wo sie die Kanten ueberspannen. Auch einer Kombination mit Zahlen durch Aussparen oder Uebermalen steht nichts im Wege. Auf diese Weise erweitert Eva Bauer ein einmal gefundenes minimalistisches System und gestaltet es immer komplexer, aber es bleibt uebersichtlich und durch die Kuenstlerin kontrollierbar. Sie haelt den roten Faden in der Hand. Schliesslich lautet eine der Definitionen von Kunst, dass sie nur einen Sinn hat, naemlich das Chaos des Lebens zu ordnen. Oder anders ausgedrueckt: Wenn die Welt klar waere, braeuchte es keine Kunst.

Dr. Hanne Weskott
Kunsthistorikerin